„Wenn man als Trainerin tätig ist, wird es nie langweilig. Man hat immer mit neuen Mannschaften bzw. Menschen zu tun, und es ist schön, mit jungen Leuten auf Ziele hinzuarbeiten und diese mit ihnen zu erreichen.“ – So beschreibt Sabine Tschäge selbst, was sie an ihrem Beruf fasziniert.
Mit 18 Jahren beendet sie ihre aktive Karriere als Ruderin – und steigt direkt, hochmotiviert, als Trainerin ein. Parallel zu ihrem Lehramtsstudium engagiert sie sich als Helferin und Unterstützerin, etwa bei Regatten der Renn-Ruder-Gemeinschaft Mülheim an der Ruhr. Ihre Trainerkarriere beginnt – doch bald zeigt sich: Studium und Trainerdasein lassen sich nicht vereinbaren.
2005, mit 35 Jahren, entscheidet sich Sabine Tschäge für den entscheidenden Schritt: das Diplom-Trainer-Studium an der Trainerakademie Köln, das sie 2008 erfolgreich abschließt. Sie erinnert sich an diese Zeit als „cool“ und empfiehlt sie allen, die im Sport als Trainerin oder Trainer arbeiten möchten: „Es ist zwar hart, dieses Studium nebenbei zu machen, aber man kann es in jedem Fall mit dem Leistungssport kombinieren.“
Nach zehn Jahren in Mülheim folgt der Wechsel nach Hessen, wo sie als Landestrainerin arbeitet. 2009 kehrt sie nach Nordrhein-Westfalen zurück – zum Landesleistungs- und Bundesnachwuchsstützpunkt in Krefeld.
2017 folgt die nächste Stufe: Bundestrainerin der Altersklasse U19. Parallel dazu ist sie Heimtrainerin von Jonathan Rommelmann, mit dem sie seit 2014 zusammenarbeitet. Unter ihrer Führung wird er 2015 Weltmeister und 2016 Vizeweltmeister in der U23. 2019 gewinnen Rommelmann und Jason Osborne WM-Bronze und EM-Gold.
2020 wird Sabine Tschäge gebeten, den Leichtgewichts-Doppelzweier auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Tokio zu betreuen – und sie schafft es!
Das Boot gewinnt Olympisches Silber.
Eine überragende Leistung – und ein starkes Zeichen: Eine Frau, die in einer männerdominierten Sportart eine olympische Medaille erringt.
Doch damit ist ihre Erfolgsgeschichte nicht zu Ende. Danach folgt der nächste Schritt: das Trainerteam des Deutschland-Achters, dem Flaggschiff des Deutschen Ruderverbandes.
„Die Athleten sind alle sehr ehrgeizig und motiviert“, beschreibt sie ihre Eindrücke. „Man muss die Sache so wollen, wie die Athleten sie wollen – und Spaß daran haben, mit Athleten zu arbeiten. Dazu gehört auch, Rückschläge hinzunehmen.“
Zunächst beobachtet und lernt sie von den erfahrenen Trainerkollegen Uwe Bender und Peter Thiele. Nach den Spielen in Tokio beginnt im Achter ein Umbruch – im Team wie bei den Trainern. Gemeinsam gelingt es, neue Strukturen zu schaffen. In Tokio noch auf Platz sieben, wird der Deutschlandachter bei den Spielen in Paris 2024 Vierter.
Sabine Tschäge war in Tokio eine von nur 13 Trainerinnen im gesamten deutschen Olympiateam – bei insgesamt 143 Trainern.
Für ihre Leistungen wird sie 2021 als DOSB-Trainerin des Jahres ausgezeichnet – eine Ehrung, mit der sie nicht gerechnet hatte, die sie aber umso mehr genießen konnte.
Sabine Tschäge ist ein Vorbild für viele Frauen im Sport, die dem Trainerberuf folgen möchten – einem Beruf, der in der öffentlichen Wahrnehmung oft nicht den Stellenwert erhält, den er verdient. Sie selbst betont:
„Der Trainerberuf ist kein Beruf, bei dem man mit 20 sagt: Ich werde das. Es gibt vielfach keine klaren Wege dorthin, und es ist nach wie vor nicht leicht, damit ausreichend Geld zu verdienen. Dabei handelt es sich um ein richtiges Berufsbild – mit Studium, Ausbildung und langjähriger Erfahrung. Als Trainerin oder Trainer begleitet man Sportlerinnen und Sportler oftmals über mehrere Jahre.“
Mit der heutigen Auszeichnung soll sichtbar werden, dass Frauen im Trainerberuf ihren Weg selbstbewusst, erfolgreich und mit Leidenschaft gehen.
Herzlichen Glückwunsch, liebe Sabine – und willkommen in der Hall of Fame der Trainerinnen.
Von Ulla Koch